Der Mann, der Menschen macht

Freitag, 8. Juli 2011

Würgendorf. Die Schauspielerin Suzanne von Borsody und das Duo Leccornia reisten mit dem Publikum im Heimhof-Theater nach Tahiti.

ciu - Diese Augen! Groß und dunkel, neugierig und verhalten zugleich. Melancholie im Blick, vielleicht sogar Trauer, Verzweiflung eher nicht. Diese Augen schauen hin, nicht weg, sind Fenster der Seele und zur Seele. Dieser Mensch sieht hin und zu und weiter, ist zuallererst ein guter Beobachter, kann das Geschaute fabelhaft beschreiben und lässt sich auf das Geschehen um ihn herum ein. So gut es geht als Fremder unter Wilden - oder als Wilder unter Fremden. Paul Gauguin (1848-1903) ist sein Leben lang auf der Suche nach dem Ursprünglichen. Er findet es bedingt auf Tahiti, aber zuweilen auch dort, wo die Zivilisation noch nicht alles ergriffen hat, in den Dörfern der Bretagne, im Süden Frankreichs.

Geerdet und getragen durch die Musik

Seine Geschichte skizziert die Schauspielerin Suzanne von Borsody in ihrem Gauguin-Programm, einer Mischung aus biographischer Skizze und Lesung, Darstellungskunst und Musik. Am Samstagabend war sie zu Gast im Heimhof-Theater auf der Burbacher Wasserscheide und bescherte ihrem Publikum im bestens besuchten Haus einen wirklich schönen Abend. Sie verstand es vortrefflich, unterhaltsam aus dem Leben eines Künstlers zu erzählen, bot genau die richtige Mischung aus Daten und Fakten, Humor und Dramatik. Wie bei einem Puzzle fügten sich Texte und Bilder (hinter der Bühne organisierte ihr aus Neunkirchen stammender Lebensgefährte Jens Schniedenharn die Leinwandpräsentation) zu einem Ganzen, das geerdet, getragen und vertieft wurde durch die Musik des Duos Leccornia. Der Flötist Willy Freivogel und der Gitarrist Siegfried Schwarz waren famose Begleiter auf dieser Reise durch die Kunstgeschichte. Sie spielten Musik aus den Zeiten Gauguins, aber auch solche aus dem Hier und Jetzt, unterstrichen das gesprochene Wort virtuos, spielfreudig, lässig, liebenswert. Wer solche Fahrensmänner an der Seite hat, darf sich glücklich schätzen!

Schönes Kleid, Blume hinterm Ohr

Ein besonderer Augenblick an diesem Abend war der, als Suzanne von Borsody vom "Er" zum "Ich" oder auch "Wir" wechselte, als Gauguin selbst zu sprechen begann. In "Noa-Noa" berichtet er von seiner desillusionierenden Ankunft auf Tahiti ("Der erste Anblick dieser kleinen Insel hat nichts Verheißungsvolles"), von seiner Suche nach dem "Tahiti der Vergangenheit, welches ich liebte". Eindrücklich haften bleiben seine Selbstvergewisserungen: "Wie sie für mich war ich für sie - der Wilde." Suzanne von Borsody weiß Pausen zu setzen, den Klang ihrer Stimme, das Erzähltempo zu variieren, so vorzutragen, dass die Spannung anhält, aber nicht anstrengt. Als sie Gauguins Versuch nachzeichnet, die tahitische Nachbarin in seiner Hütte zu malen, und deren Auftritt "in einem schönen Kleid mit einer Blume hinterm Ohr" schildert, spiegelt sich das im eigenen schönen Kleid und, ja, auch in der Blume hinterm Ohr.

"Man muss wohl ein Kind sein..."

Sie romantisiert nicht, urteilt aber auch nicht über Paul Gauguin, der Frau und fünf Kinder in Europa zurückließ, der sich, obgleich syphilitisch, schließlich doch die Maori-Frauen nahm, der die Kirche verspottete und am Ende um geistlichen Beistand bat; sie stellt den "Mann, der Menschen macht" vor, geht seinen Passionen nach, spürt neben dem Widersprüchlichen auch Weises auf: "Hüte dich vor Luxus, hüte dich, unter dem Vorwand der Vorsorge Geschmack daran zu finden!" Ihre Fundstücke gefallen. "Man muss wohl ein Kind sein", hat Gauguin gesagt, "um sich vorstellen zu können, dass ein Künstler etwas Nützliches ist." So gesehen, hörten und sahen im Heimhof-Theater viele Kinder zu. Es gab lang anhaltenden, begeisterten Applaus für von Borsody, Freivogel und Schwab - und als Zugabe Aphorismen, Gedanken, Einwürfe aus Gauguins "Avant et Après". Toll!