Würgendorf. Die Schauspielerin Suzanne von Borsody und das Duo
Leccornia reisten mit dem Publikum im Heimhof-Theater nach Tahiti.
ciu - Diese Augen! Groß und dunkel, neugierig und verhalten zugleich.
Melancholie im Blick, vielleicht sogar Trauer, Verzweiflung eher nicht.
Diese Augen schauen hin, nicht weg, sind Fenster der Seele und zur
Seele. Dieser Mensch sieht hin und zu und weiter, ist zuallererst ein
guter Beobachter, kann das Geschaute fabelhaft beschreiben und lässt
sich auf das Geschehen um ihn herum ein. So gut es geht als Fremder
unter Wilden - oder als Wilder unter Fremden. Paul Gauguin (1848-1903)
ist sein Leben lang auf der Suche nach dem Ursprünglichen. Er findet es
bedingt auf Tahiti, aber zuweilen auch dort, wo die Zivilisation noch
nicht alles ergriffen hat, in den Dörfern der Bretagne, im Süden
Frankreichs.
Geerdet und getragen durch die Musik
Seine Geschichte skizziert die Schauspielerin Suzanne von Borsody in
ihrem Gauguin-Programm, einer Mischung aus biographischer Skizze und
Lesung, Darstellungskunst und Musik. Am Samstagabend war sie zu Gast im
Heimhof-Theater auf der Burbacher Wasserscheide und bescherte ihrem
Publikum im bestens besuchten Haus einen wirklich schönen Abend. Sie
verstand es vortrefflich, unterhaltsam aus dem Leben eines Künstlers zu
erzählen, bot genau die richtige Mischung aus Daten und Fakten, Humor
und Dramatik. Wie bei einem Puzzle fügten sich Texte und Bilder (hinter
der Bühne organisierte ihr aus Neunkirchen stammender Lebensgefährte
Jens Schniedenharn die Leinwandpräsentation) zu einem Ganzen, das
geerdet, getragen und vertieft wurde durch die Musik des Duos Leccornia.
Der Flötist Willy Freivogel und der Gitarrist Siegfried Schwarz waren
famose Begleiter auf dieser Reise durch die Kunstgeschichte. Sie
spielten Musik aus den Zeiten Gauguins, aber auch solche aus dem Hier
und Jetzt, unterstrichen das gesprochene Wort virtuos, spielfreudig,
lässig, liebenswert. Wer solche Fahrensmänner an der Seite hat, darf
sich glücklich schätzen!
Schönes Kleid, Blume hinterm Ohr
Ein besonderer Augenblick an diesem Abend war der, als Suzanne von
Borsody vom "Er" zum "Ich" oder auch "Wir" wechselte, als Gauguin selbst
zu sprechen begann. In "Noa-Noa" berichtet er von seiner
desillusionierenden Ankunft auf Tahiti ("Der erste Anblick dieser
kleinen Insel hat nichts Verheißungsvolles"), von seiner Suche nach dem
"Tahiti der Vergangenheit, welches ich liebte". Eindrücklich haften
bleiben seine Selbstvergewisserungen: "Wie sie für mich war ich für sie -
der Wilde." Suzanne von Borsody weiß Pausen zu setzen, den Klang ihrer
Stimme, das Erzähltempo zu variieren, so vorzutragen, dass die Spannung
anhält, aber nicht anstrengt. Als sie Gauguins Versuch nachzeichnet, die
tahitische Nachbarin in seiner Hütte zu malen, und deren Auftritt "in
einem schönen Kleid mit einer Blume hinterm Ohr" schildert, spiegelt
sich das im eigenen schönen Kleid und, ja, auch in der Blume hinterm
Ohr.
"Man muss wohl ein Kind sein..."
Sie romantisiert nicht, urteilt aber auch nicht über Paul Gauguin,
der Frau und fünf Kinder in Europa zurückließ, der sich, obgleich
syphilitisch, schließlich doch die Maori-Frauen nahm, der die Kirche
verspottete und am Ende um geistlichen Beistand bat; sie stellt den
"Mann, der Menschen macht" vor, geht seinen Passionen nach, spürt neben
dem Widersprüchlichen auch Weises auf: "Hüte dich vor Luxus, hüte dich,
unter dem Vorwand der Vorsorge Geschmack daran zu finden!" Ihre
Fundstücke gefallen. "Man muss wohl ein Kind sein", hat Gauguin gesagt,
"um sich vorstellen zu können, dass ein Künstler etwas Nützliches ist."
So gesehen, hörten und sahen im Heimhof-Theater viele Kinder zu. Es gab
lang anhaltenden, begeisterten Applaus für von Borsody, Freivogel und
Schwab - und als Zugabe Aphorismen, Gedanken, Einwürfe aus Gauguins
"Avant et Après". Toll!