Ein Lächeln auf den Lippen

Sonntag, 9. Dezember 2012

Man hat das Gefühl, man sitzt mit ihr im Zug von Mailand nach Lugano, sieht die Mitreisenden, sieht die alte Frau, die sich "Erika" auf den Schoß setzt und deren rosa Plüschfell streichelt. Denn "Erika" ist nicht irgendwer, sondern ein lebensgroßes Ferkel mit blauen runden Glasaugen und das Weihnachtsgeschenk für Franz, den verflossenen Liebhaber. Und "Erika" verfallen sie alle. Ganz gleich ob Kinder oder Erwachsene, ob Geschäftsmann oder einsamer Koch in einem über Weihnachten geschlossenen Hotel. Ihnen allen zaubert das Plüschschwein ein Lächeln aufs Gesicht. Suzanne von Borsody, las diese heitere, besinnliche und dann wieder voller Ironie geschriebene Geschichte "Erika oder Der verborgene Sinn des Lebens". Sie stammt aus der Feder von Elke Heidenreich, Autorin, Moderatorin und Literaturexpertin.  Suzanne von Borsody liest nicht einfach den Text. Sie spielt ihn. Und das merken auch die Zuhörer, im ausverkauften Theater auf der Wasserscheide. Man spürt die Einsamkeit der geschiedenen Berlinerin Betty, die in ihrer leeren Wohnung vor den Feiertagen ganz unbewusst Bilanz zieht: "Es war, als hätte ich vergessen zu leben." Da kommt der Anruf von Franz aus Lugano, Ex-Liebhaber, auch geschieden, gerade richtig. Er lädt sie ein, gemeinsam zu feiern. Auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk (elsässischer Senf) sieht sie im KaDeWe das lebensgroße Plüschschwein. Kauft es für 687 Euro für Franz und tauft es Erika. Und das Schwein mit dem hellrosa Bauch verändert ihr Leben. Die Fahrt endet in Bellinzona und das Weihnachtsfest verbringt sie in einem geschlossenen Hotel, in dem nur noch der Koch, verlassen von seiner Frau, zurückgeblieben ist. Zwei Einsame, und "Erika", die den Koch an seine Frau erinnert, die mit einem Friseur durchgebrannt ist. Sie war "genauso rosig, so zart die Haut, genauso dick". Betty lässt sie ihm, wünscht ihr "alles Gute" und hofft, dass das Ferkelchen ihn tröstet. Es ist schließlich Weihnachten.
Begleitet wurde Suzanne von Borsody, die in der Spielzeit 2011/12 vom Berliner Theaterclub zur beliebtesten Schauspielerin gewählt wurde und dafür den Goldenen Vorhang erhielt, vom Duo Leccornia. Die beiden international arrivierten Solisten Willy Freivogel (Flöte) und Siegfried Schwab (Gitarre) begleiteten die Schauspielerin mit Werken aus Klassik und Romantik, mit Jazzkompositionen und weihnachtlichem Repertoire.
 
Quelle: Siegener Zeitung