Ein einziger Stein ...

Samstag, 7. September 2013

© ARD Degeto / Lisa Film / O. Roth
"Der Meineidbauer" - schon ihr Vater, Hans von Borsody, spielte 1956 eine Hauptrolle in dem Bergdrama, damals unter der Regie von Rudolf Jugert. Und auch in der aktuellen Verfilmung von Joseph Vilsmaier, die das Erste am Freitag, 27.09., 20.15 Uhr, zeigt, hat er eine kleine Gastrolle. Ganz oben auf der Besetzungsliste steht diesmal allerdings seine Tochter: Suzanne von Borsody. Seit Jahren schon gehört die gebürtige Münchnerin zu den populärsten deutschen Schauspielerinnen. Nicht nur mit großen TV-Produktionen punktete sie zuletzt. Im Kino begeisterte sie in der Rolle der "Frau Mägerlein" in drei "Hanni & Nanni"-Verfilmungen auch das junge Publikum. Darüber hinaus wagte sich die 55-Jährige an eine neue Aufgabe als Künstlerin. In mehreren Ausstellungen waren ihre Bilder zu begutachten, für die sie viel Lob erhielt. Das dürfte ihr auch für ihre Rolle in Ludwig Anzengrubers Tiroler Volksstück "Der Meineidbauer" sicher sein. Sie spielt die resolute Anna, die nach dem Tod ihres Freundes von dessen Stiefbruder Franz (Günther Maria Halmer) um ihr Erbe gebracht wird und Jahre später Rache übt.
 
teleschau: Was macht den besonderen Reiz einer solchen Geschichte aus?
Suzanne von Borsody: Ludwig Anzengruber schrieb sie ja schon 1871. Damals, wie auch heute bei unserer Verfilmung, ist es eine Geschichte über große, sehr archaische Gefühle. Und die werden in besonderer Weise sichtbar, wenn die Landschaft archaisch wirkt. Und wenn die Gemeinschaft der Menschen, die aufeinandertreffen, kleiner ist. Das birgt für uns die Möglichkeit, größer zu spielen.
teleschau: In einer Großstadt ließe sich "Der Meineidbauer" also nicht wirklich ansiedeln?
von Borsody: Es geht ja um die großen Themen: Gut, Böse, Teufel, Verfluchung, Gottesfürchtigkeit - das ist eben auf dem Land noch verwurzelt. In den Großstädten würde das alles vielleicht ein bisschen albern daherkommen. Aber hier in Tirol stimmt das Pathos.
teleschau: Mussten Sie sich den Tiroler Dialekt extra aneignen?
von Borsody: Ich bin ja ein Münchner Kindl. Das Tirolerische habe ich mir dann draufgeschafft, wobei mich der Regisseur Sepp Vilsmaier manchmal ermahnte, ich klänge eher wie eine russische Tirolerin (lacht).
teleschau: Ihnen wurde in Ihrer Jugend also nicht, wie heute häufig üblich, der Dialekt im allgemeinen Sprachgebrauch ausgetrieben.
von Borsody: Keineswegs. Ich hatte eine dialektbegabte Mutter (die Schauspielerin Rosemarie Fendel, d. Red.), die sich jeden Dialekt draufgeschafft hat - je nachdem, wo sie lebte. Mag sein, dass ich das geerbt habe. Aber das Bayerische ist eben meine Heimatsprache.
teleschau: Und Bayern Ihre Heimat?
von Borsody: Sicher. Hier mag ich das Sanfte in der Landschaft, die Berge, die Zwiebeltürme. Aber durch den Beruf bedingt steht der Begriff "Heimat" auch für die Attribute, die ich um mich herum mitnehme. Dinge, die ich in Koffern dabei habe. Und für die Freunde, die ich habe und die sich ja über den Globus verteilen.
teleschau: Zwei berühmte konträre Aussagen zum Thema "Heimat": "Heimat entsteht in der Fremde" und "Heimat erstirbt auf Reisen"- welche stimmt?
von Borsody: Für mich keine von beiden. Heimweh kann in der Fremde entstehen, aber nicht Heimat. Auf Reisen - da nimmt man sich ja selbst mit. Früher, so mit Mitte 20, wollte ich die Welt kennenlernen. Heute weiß ich, dass ich mich in der Welt kennenlernen will.
teleschau: Was war Ihr letztes großes Reiseziel?
von Borsody: Ich war vergangenes Jahr zum ersten Mal in Indien. Ich war befremdet, verstört, überrascht. Weil ich die Spielregeln nicht begriff. In der Fremde fühle ich mich wie auf einem Spielbrett. Ich bin das eine Manschgerl, die Menschen um mich herum sind die anderen Manschgerl. Da schaue ich mir ganz genau an, auf welches Feld ich treten darf.
teleschau: Der Film beinhaltet alle großen Gefühle: Hass, Rachsucht, Liebe, Gier ... - wie wahr sind diese Eigenarten des Menschen in der heutigen Zeit noch?
von Borsody: Schon noch sehr wahr. Gierig sind die Menschen nach wie vor. Nicht umsonst ist das eine Todsünde. Ebenso wie Neid - auch den gibt es nach wie vor. Dazu Missgunst ... all die Themen, die im Film vorkommen, sind auch in unserer modernen Gesellschaft existent.
teleschau: Kein sehr positives Bild ...
von Borsody: Aber ich glaube eben auch daran, dass man Dinge verändern kann, wenn man bei sich anfängt. Ich glaube daran, dass jeder einen Berg versetzen kann, wenn er erst einmal nur einen einzigen Stein in die Hand nimmt.
teleschau: Tun Sie das?
von Borsody: Aber ja, ich versuche es. Mit meinem Charity-Projekt "Hand in Hand for Africa e.V.", für das ich mit der "weißen Buschtrommel" unterwegs bin und hier und da wie ein Eichhörnchen Nüsslein einsammle.
teleschau: Lassen Sie es zu, sich von anderen Ihre Eigenschaften überprüfen zu lassen?
von Borsody: Sicher. Es ist gut, wenn man mutige Regulatoren an seiner Seite hat. Ein sehr mutiger Regulator ist zum Beispiel mein ältestes Patenkind. Sie wagt es immer alles anzusprechen. Auch mein Partner Jens (Jens Schniedenharn, d. Red.) und ich finden einen Konsens im Gespräch, bei dem wir uns verstehen.
teleschau: Wo war der höchste Punkt, auf dem Sie je waren?
von Borsody: Das könnte schon diese Laserzwand in Tirol gewesen sein, auf der der Film mit einem Showdown endet. Höher war ich, denke ich, noch nicht. Ich bin kein Kletterer.
teleschau: Und beruflich? Wo war rückblickend hier der höchste Punkt, den Sie je erreicht haben?
von Borsody: Die erste Ausstellung meiner Bilder in Leipzig - sie fällt mir da ein.
teleschau: Keine Filme, keine Preise?
von Borsody: Filme verändern sich und insofern auch meine Sichtweise darauf. Vor über 30 Jahren habe ich den Kritikerpreis in Form eines Chaplinschuhs in Bronze bekommen für "Das eine Glück und das andere", bei dem Axel Corti Regie führte. Das war ein Zeitpunkt, an dem ich noch gar nicht sicher war, ob ich bei diesem Beruf bleibe. Der Film ist nach wie vor toll. Und aus meinen Möglichkeiten heraus, die damals andere waren, ist das auch rückblickend gut. "Beate S.", eine siebenteilige Reihe, die etwa zur gleichen Zeit entstand, fällt mir noch ein - da habe ich neulich eine Folge auf einer alten Videokassette gesehen. Damals hatte ich gefühlt noch Babyspeck im Gesicht und Eierschalen auf dem Kopf. Heutzutage würde das keinen Preis mehr kriegen. Aber damals war das etwas, das gut war. Mehr konnte ich da auch nicht. Und zurück zu Ihrer Frage: Nein, solche Höhen und Tiefen lassen sich an Filmen gar nicht festmachen.
teleschau: Was bedeutet Ihnen die Malerei?
von Borsody: Die Bilder sind von der Machart fotorealistisch. Eine Sauarbeit, aber toll. Ich wollte nicht ausstellen in dem Bewusstsein, dass ich Schauspielerin bin, sondern ich wollte als Malerin ausstellen. Und ich wollte auch handwerklich dem Vergleich mit anderen bildenden Künstlern standhalten können. Ich denke, das ist mir gelungen.

Quelle