Ein emotionales Machtspiel

Freitag, 7. Februar 2014

Ein emotionales Machtspiel 
Emmerich. Lies (glänzend: Suzanne von Borsody) und Richard (herausragend: Guntbert Warns) waren auf der Bühne einst ein Traumpaar, hatten privat eine Liebschaft. Dann heiratete Lies, zog fort, Richard blieb dem Theater treu. Nun braucht er Lies, denn es steht eine Premiere an, und er hat zwei Kolleginnen mit seiner Arroganz vergrault. Lies kennt das Stück schon, damit haben beide vor 30 Jahren ihr Schauspiel-Diplom gemacht. Also reist sie von der 1400 Kilometer entfernten Côte d’Azur an, wo sie mit ihrem wohlhabenden Mann ein ruhiges Leben führt, um die Aufführung ihres früheren Partners zu retten.
Zwischen zwei Männern
Er war ihre große Liebe, sie verließ ihn wegen seiner Alkoholexzesse. Die Proben arten zu einem emotionalen Machtspiel aus. Die Vergangenheit holt sie ein. Erinnerungen werden wach, etwa an eine lustig- trunkene Autofahrt. Lies zweifelt, ob ihr Leben das Richtige ist. Deutlich wird, dass es nicht um einen alkoholsüchtigen Schauspieler, sondern um die Lebensentscheidung einer Frau geht: um ihre Zerrissenheit zwischen zwei Männern.

Die Zuschauer im ausverkauften Theater erlebten mit „Der letzte Vorhang“ ein amüsant bis tiefsinnig gehendes Stück der Niederländerin Maria Goos, das Antoine Uitdehaag am Berliner Renaissance- Theater inszeniert hat. Die Bühne ist lediglich mit einem Ledersofa, einem Tisch und Scheinwerfern ausstaffiert. Ebenen und Zeiten, Rollen und Gefühle mischen sich. Das Stück spielt im Heute und in der Vergangenheit, die zehn bzw. 30 Jahre zurück liegt. Da fragt sich der Theaterbesucher oft: Was ist Fiktion, was Realität? Was war gestern, was ist heute, was passiert als nächstes? Die Übergänge sind textlich abrupt, werden aber großartig beiläufig gespielt. Private Unterhaltung vermengt sich mit Probentext. Alles erinnert an die Eheschlacht zwischen Liz Taylor und Richard Burton in "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?"

Nach zwei spannenden und unterhaltsamen Stunden fällt die Entscheidung: Auch wenn Lies feststellt, dass es gut gelaufen ist, so zieht sie doch Ruhe und Frieden im Privatleben einer Bühnenkarriere vor. Nicht ohne sich von Richard zu verabschieden: "Es war schön, meine Liebe."

Quelle: WAZ