Liebe am Abgrund

Donnerstag, 6. März 2014

"Wenn wir es Liebe nennen würden, das zwischen uns, dann wäre das Ganze ein bisschen erträglicher", charakterisiert Kate ihre Beziehung mit David, der die gemeinsame Ehe als "Privatinferno" bezeichnet. Beide sind sie dem Suff zugetan, einmal kriecht er auf dem Fußboden in Richtung Whiskyflasche, um die Klagelaute der "Kleinen" zu besänftigen - der Eiswürfel, die in Kates geleertem Glas einsam klappern. Diese burlesk-zerrütteten Szenen einer Ehe sind ein Stück im Stück, das Richard (Guntbert Warns) und Lies (Suzanne von Borsody) in Maria Goos' Tragikomödie "Der letzte Vorhang" (Regie: Tom Schenk) einstudieren, mit dem das Renaissance-Theater Berlin im Pfalzbau gastiert. 
Um die Premiere zu retten, kehrt Lies nach einer Dekade Bühnenabstinenz zu ihrem langjährigen Schauspielpartner zurück - nachdem der trunksüchtige und vom narzisstischen Glanz der eigenen Großartigkeit berauschte Richard bereits drei andere Kolleginnen in die Flucht geschlagen hat. Die Proben zu diesem namenlosen Stück (mit dem beide 30 Jahre zuvor die Theaterschule beendet hatten) werden zum Spielfeld der Emotionen, zur Gelegenheit, die Beziehung zueinander zu rekapitulieren und einst getroffene Entscheidungen infrage zu stellen - im Falle von Lies diejenige, eine bürgerlich-mondäne Existenz an der Seite eines Gynäkologen gewählt zu haben.  

Verweis auf Burton / Taylor
Autorin Goos verweist mit den Rollennamen auf Richard Burton und Elizabeth Taylor - im realen Leben ein krisenerprobtes Paar und auf der Bühne wie im Film in Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" einander in Hassliebe zugetan. Warns und von Borsody balancieren in der routiniert inszenierten Aufführung in ausdrucksstarkem Spiel über die Abgründe vertaner Chancen, changieren zwischen schmerzlich schwelenden Gefühlen und bedrohlicher (Sehn-)Sucht. Gleichzeitig enthüllt uns "Der letzte Vorhang" aber wenig, was Albee oder Literaten wie Charles Bukowski nicht schon über die prekäre Psychologie zwischenmenschlicher Verbindungen gesagt hätten.

Quelle: Mannheimer Morgen