»Beziehungszoff auf offener Bühne«

Montag, 21. Januar 2013

"Suzanne von Borsody und Guntbert Warns brillieren in Maria Goos' Beziehungs- und Probenschlacht'Der letzte Vorhang' am EDT"
"Funkt die Liebe in den Job hinein, stehen Arbeitsklima und Professionalität auf dem Spiel. Passiert das im Theater, ergeben sich besonders dankbare und turbulente Komödienplots - für das Theater. Nach Michael Frayn ('Der nackte Wahnsinn'), Ken Ludwig ('Othello darf nicht platzen') oder
Ron Harwood ('Der Garderobier') riskiert auch die holländische Autorin Maria Goos in ihrem Zweipersonenstück 'Der letzte Vorhang' einen Blick hinter die Kulissen und verknüpft ihn sachkundig mit dem Beziehungsduell zwischen zwei mit allen Wassern gewaschenen Rampentigern. Fabelhaftes Rollenfutter für Suzanne von Borsody und Guntbert Warns. Sie glänzen mit auf den Punkt genauer Charakterisierungskunst in der Koproduktion von Ernst Deutsch Theater und Berliner
Renaissance Theater und kassierten bereits zur Premieren-Pause Bravo-Rufe."
"Lies und Richard sehen sich nach 20 Jahren wieder. Sie will eine Aufführung ihres früheren Bühnenpartners retten. Er war ihre große Liebe, doch sie verließ ihn wegen seiner Alkoholexzesse. Auf dem Probensofa im Arbeitslicht der aufgestellten Scheinwerfer holt Lies die Vergangenheit und der Spaß am Spielen wieder ein. Alte Gefühle flammen auf und lassen sie an ihrer bürgerlichen Ehe mit einem "reichen Schnarchsack" (Richard) in Frankreich zweifeln. Die Proben arten zunehmend zu einem emotionalen Machtspiel zwischen den beiden aus.
Suzanne von Borsody und Guntbert Warns ziehen denn auch souverän alle Register ihres Könnens. Sie erteilen nebenbei Leuten, die glauben, Schauspieler bräuchten nur mal abends auf die Bühne zu gehen und davor rasch ins Textbuch zu gucken, eine unterhaltsame Lektion mit ihrem harten Probenzoff."
"Die Szene zwischen Kate und David aus dem Stück im Stück, das der Eheschlacht zwischen Liz Taylor und Richard Burton in Albees 'Wer hat Angst vor Virginia Woolf?' gleicht, ist zweimal zu sehen. Als Jojanneke karikiert Borsody eine verhuschte Möchtegern-Mimin, die mit Piepsstimme hirnlos den Text hersagt. Klar, dass der trinkende Zyniker Richard sie sadistisch fertigmacht, bis sie aufgibt. In der sturzbetrunkenen und brillant ausgespielten Version von Lies und Richard gehen die beiden dann beim Geschlechter-Clinch mit verletzender Bösartigkeit ans Eingemachte. Abrupt wechseln sie zu ihren privaten Gesprächen, lassen saufselige Erinnerungen lebendig werden, wie einen sentimentalen Spaziergang oder die lustige Autofahrt im Vollrausch. Sie ziehen über Kollegen her und springen auch mal kurz in andere Figuren. Warns erweist sich als Meister der Parodie, wenn er versucht, Lies ihren kunstsammelnden Gatten madig zu machen."
"Regisseur Antoine Uitdehaag setzt in Tom Schenks reduziertem Bühnenraum auf die Dialoge und Stärken der Darsteller, denen zuzuschauen einfach ein Genuss ist. Denn sie switchen klar und verständlich zwischen einst und jetzt und den Figuren hin und her. Vor allem zeigen sie auch Schwächen und Schmerz des einander und seiner Kunst eigentlich rettungslos verfallenen Paars. Das Publikum folgt ihm gespannt, schwankt zwischen mucksmäuschenstill und amüsiertem Gelächter und feiert zum Schluss die Schauspieler für ihre exzellente, wirklich sehenswerte Leistung."

(Klaus Witzeling, 12./13.01.2013)

Quelle: Ernst Deutsch Theater