Mit Frida Kahlo im Staatstheater Darmstadt

Dienstag, 19. März 2013

Ikonengleich zieht Frida Kahlo mit kühlem Blick die Betrachter ihrer zahlreichen Selbstporträts in den Bann. Die Gemälde werden am Sonntagabend im Kleinen Haus des Darmstädter Staatstheaters auf eine riesige Leinwand projiziert: Frida mit Dornenkette, mit Blumen im Haar, Frida vor Urwaldkulisse, Frida blutüberströmt auf einem Krankenbett. Neben dem Pult, hinter dem die Schauspielerin Suzanne von Borsody Platz nimmt, sind Instrumente aufgebaut: das Trio Azul unterstreicht die Lesung musikalisch einfühlsam. Mit dem Sänger und Gitarristen Jorge Castañeda, dem Vibrafonisten und Perkussionisten Omar Plasencia León und Kurt Holzkämper am Kontrabass entfaltet sich auch klanglich lateinamerikanisches Flair.
Die Kindheit war "wie ein Spiel für mich", schreibt Frida im September 1926, "jetzt lebe ich auf einem schrecklichen Planeten." Schon als Sechsjährige hat sie ein verkürztes Bein nach einer Kinderlähmung. Als Achtzehnjährige durchbohrt bei einem Busunglück eine Stange ihr Becken und verletzt auch Rücken und Fuß. Seitdem ist sie immer wieder eingezwängt in ein Korsett. Mehr als dreißig Operationen und Fehlgeburten sind die Folge, dazu kommt eine schwierige Beziehung zu ihrem Ehemann, dem Maler Diego Rivera. Depressionen, Schmerzmittel und Alkoholismus gehören zu ihrem Leben wie ihr unbeugsamer Humor und Lebenswille.
In chronologischer Reihenfolge entfaltet Suzanne von Borsody anhand von Briefen und Tagebucheintragungen das Leben einer leidgeprüften und unbeugsamen Frau. Aufrichtigkeit zählt sie, die häufig Betrogene, zu den wichtigsten Eigenschaften eines Menschen. Sie selbst bettelt um Liebe, schreibt "vergesst mich nicht!" "Ich führe das Leben eines Blumentopfs, der über den Balkon nicht hinauskommt".
Von Borsody liest die frühen Texte im Ton eines naiv-verwöhnten, fordernden Teenagers. Ob dies der klarsichtigen, sich sehnenden Frida entspricht? Als reife Frau geht die Kahlo unverblümt und hart ins Gericht mit dem, was sie erlebt. "Dreckskerle" schimpft die Marxistin 1939 in Paris die Franzosen, wo sie anlässlich einer viel gelobten Ausstellung ihrer Bilder hingereist ist, "Taugenichtse, die den Mussolinis und Hitlers die Türen öffnen." Schonungslos auch der Umgang mit sich selbst: "Ohne dich bin ich Dreck", oder nach der Amputation ihres Unterbeins: "Schneidet mir halt die Pfote ab, was soll’s, mir würden Flügel reichen!" Jetzt überzeugt der harsche und zugleich sanfte Ton der Schauspielerin. "Doña Frida, die Garstige" lallt Suzanne von Borsody wüst die Schlussformel eines Briefes ins Mikrofon.
Am Fuße des Pults stand bei dieser Lesung eine Kerze und ein Foto ihrer gerade verstorbenen Mutter Rosemarie Fendel. Suzanne von Borsody hat trotzdem gelesen, "meine Mutter hätte es so gewollt." Da gab es stehend ganz großen Applaus am Ende.

Quelle: Echo online