Eine Beziehung, die so eng wie zerstörerisch ist

Donnerstag, 27. Februar 2014

Großartiges Schauspiel in Lahr.
LAHR. Das Leben von und mit der Schauspielkunst ist kein leichtes. Einfühlung, Sensibilität sind gefordert, aber auch Durchsetzungsvermögen und Ehrgeiz. Der Preis, den leidenschaftliche Hingabe an die Kunst fordert, ist hoch. Die Diskrepanz zwischen hehrem Kunstanspruch und dem ganz alltäglichen menschlichen Dasein, zwischen der Sehnsucht nach Sicherheit und Zufriedenheit und dem Streben nach Erfüllung in der Kunst thematisiert Maria Goos in ihrem Theaterstück "Der letzte Vorhang", das am Dienstagabend in der Lahrer Stadthalle aufgeführt wurde.

Das Stück ist keinem Genre zuzuordnen. Es ist komisch und tragisch zugleich, Psychodrama und Boulevard. Diese Bandbreite an emotionalen Klangfarben können nur sehr gute Schauspieler glaubwürdig umsetzen. Mit Suzanne von Borsody und Guntbert Warns hatte das Renaissance-Theater Berlin die richtige Auswahl getroffen. Dass die Konzertdirektion Landgraf die Inszenierung auf Tour schickt, ist ein Glücksfall für das Publikum abseits der großen Bühnen, das so in den Genuss eines großartigen Kammerspiels kam.

Grandioses Theater, großer Applaus.
"Der letzte Vorhang" spielt auf der Probenbühne, doch es wird nicht nur ein Stück geprobt, sondern auch die Lebensentwürfe der Darsteller werden auf die Probe gestellt. Den besonderen Charme erhält die Inszenierung dadurch, dass Rückblenden, Fragmente aus dem zu probenden Theaterstück (das an "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" erinnert) und das reale Leben der beiden Protagonisten Lies und Richard immer wieder ineinander übergehen und es manchmal erst nach mehreren Sätzen klar ist, auf welcher Ebene gerade gespielt wird und wer gerade welche Rolle spielt. Spielt Lies gerade Kate, die trunksüchtige Protagonistin des Probenstücks, oder äfft sie Jojanneke nach, das weinerliche Schauspielerinnen-Wrack, das neben dem kraftstrotzenden Großmimen Richard nicht bestehen konnte? Dieser ist über die Jahre zum Zyniker und Alkoholiker geworden. Und Lies muss sich die Frage stellen lassen, ob sie aus Angst vor der Herausforderung in die bequeme Ehe mit einem reichen Gynäkologen und Kunstsammler geflohen ist. Lies und Richard verstehen sich auf einer existentiellen Ebene, eine Beziehung, die so nah wie zerstörerisch ist.

Aber es gibt auch viele komische Szenen im Stück, so die gespielte Erinnerung an einen durchzechten, glücklichen Premierenabend, der gleichwohl – und das macht vielleicht auch die Faszination dieses Theaterabends aus – immer ein Tanz auf Messers Schneide ist. "Hol deinen Mantel, wir gehen", sagt Lies zu Richard im zu probenden Stück. "Und wir sind gegangen", sagt Richard in der Erinnerung an die gemeinsame Zeit am Theater. "Wir gingen", nimmt Lies den Faden im gespielten Heute wieder auf. Grandioses Theater, großer Applaus.

Quelle: Badische Zeitung