Um die Aufarbeitung einer Beziehung drehte sich das Kammerspiel "Der letzte Vorhang" von Maria Goos, das vor ausverkauftem Haus am Montag im Stadttheater zu sehen war. Bestleistungen zeigten Suzanne von Borsody und Guntbert Warns als in die Jahre gekommene Schauspieler.
Zehn Jahre lang haben sie sich nicht mehr
gesehen und finden nun zusammen, um dasselbe Stück einzuproben, mit dem
sie vor 30 Jahren ihre Schauspielausbildung beendeten.
Lies und Richard, die Namen lehnen sich bewusst an Liz
Taylor und Richard Burton an, kennen nicht nur den Inhalt des Stücks,
das sie erneut auf die Bühne bringen wollen. Sie kennen auch ihr
Gegenüber mit allen Stärken und Schwächen. Eine kurze Liaison gab es
einst. Doch beide entschieden sich für ein Leben ohne den anderen. Und
während Richard sich dem Alkohol, dem Selbstmitleid und der
Selbstverliebtheit hingibt, hat die begnadete Schauspielerin Lies sich
einen Gynäkologen als Ehemann erwählt und lebt ein völlig
unspektakuläres Leben. Wenn von dem "ausgeblichenen Wintermantel mit
abgerissenen Knöpfen" im Stück die Rede ist, funktioniert der Vergleich
mehrfach. Denn er bezieht sich auf die Rolle, Richard selbst und auch
die eingefahrene Normalität, für die Lies sich entschieden hat.
Ist es Fiktion oder Realität, Spiel oder Alltag,
Vergangenheit oder Gegenwart, die das Publikum im Stadttheater gezeigt
bekommt? Die Sprünge sind schnell und ohne Vorwarnung. Suzanne von
Borsody wechselt in Sekunden ihren Charakter, spielt Kolleginnen, die
für das Stück vorgesehen waren und die vor ihrem männlichen und
unausstehlichen Gegenpart flohen.
Auch Guntbert Warns verkörpert Richard und viele andere,
wechselt unter Zuhilfenahme von Mimik und Stimmenmodulation vom Säufer
zum smarten Ehemann. "Wir sind die emotionale Elite", brüllt Richard
sein Credo in die Welt, und Lies entgegnet: "Wir sind dressierte Affen".
Nein, nett sind sie nicht zueinander, und doch ist da ein Reiz, der in
all den Jahren nicht verloren ging. Idealismus und Selbstüberschätzung
treffen auf das Bedürfnis nach Geborgenheit. Was ist gespielt und was
echt, wenn Schauspieler Schauspieler spielen? Und wo beginnt das, was
die Akteure vereint und entzweit? Dem Zuschauer wird der Zugang nicht
leicht gemacht. Doch wer bis zum Ende ausharrte - leider nicht alle im
Publikum - der begriff den Reigen aus Zerfleischung und Annäherung, die
Zweifel, ob die Entscheidungen, den anderen zu verlassen, richtig waren.
Unsympathisch sind die beiden Charaktere, gereift und von
der Zeit zerschlissen, jedoch großartig verkörpert durch von Borsody und
Warns. Für ihre Darstellung erhielt Suzanne von Borsody 2012 den "Goldenen Vorhang", den Publikumspreis des Berliner Theaterclubs.
"Wir lebten schnell und wild, bis alles vorüber war", so
der passende Rückblick. "Sollen wir nicht aufhören, uns einander immer
wieder anzutun", ein passendes Fazit. Ein menschliches Drama fand auf
der Bühne statt, das schwer verdaubar blieb, auch nach dem letzten
Vorhang. Dies nicht zuletzt durch die großartigen Leistungen der beiden
Akteure an diesem Abend.
Quelle: Echo