Reigen aus Zerfleischung und Annäherung

Mittwoch, 26. Februar 2014

Stadttheater - Suzanne von Borsody und Guntbert Warns glänzen in "Der letzte Vorhang"
Um die Aufarbeitung einer Beziehung drehte sich das Kammerspiel "Der letzte Vorhang" von Maria Goos, das vor ausverkauftem Haus am Montag im Stadttheater zu sehen war. Bestleistungen zeigten Suzanne von Borsody und Guntbert Warns als in die Jahre gekommene Schauspieler.
Zehn Jahre lang haben sie sich nicht mehr gesehen und finden nun zusammen, um dasselbe Stück einzuproben, mit dem sie vor 30 Jahren ihre Schauspielausbildung beendeten.
Lies und Richard, die Namen lehnen sich bewusst an Liz Taylor und Richard Burton an, kennen nicht nur den Inhalt des Stücks, das sie erneut auf die Bühne bringen wollen. Sie kennen auch ihr Gegenüber mit allen Stärken und Schwächen. Eine kurze Liaison gab es einst. Doch beide entschieden sich für ein Leben ohne den anderen. Und während Richard sich dem Alkohol, dem Selbstmitleid und der Selbstverliebtheit hingibt, hat die begnadete Schauspielerin Lies sich einen Gynäkologen als Ehemann erwählt und lebt ein völlig unspektakuläres Leben. Wenn von dem "ausgeblichenen Wintermantel mit abgerissenen Knöpfen" im Stück die Rede ist, funktioniert der Vergleich mehrfach. Denn er bezieht sich auf die Rolle, Richard selbst und auch die eingefahrene Normalität, für die Lies sich entschieden hat.
Ist es Fiktion oder Realität, Spiel oder Alltag, Vergangenheit oder Gegenwart, die das Publikum im Stadttheater gezeigt bekommt? Die Sprünge sind schnell und ohne Vorwarnung. Suzanne von Borsody wechselt in Sekunden ihren Charakter, spielt Kolleginnen, die für das Stück vorgesehen waren und die vor ihrem männlichen und unausstehlichen Gegenpart flohen.
Auch Guntbert Warns verkörpert Richard und viele andere, wechselt unter Zuhilfenahme von Mimik und Stimmenmodulation vom Säufer zum smarten Ehemann. "Wir sind die emotionale Elite", brüllt Richard sein Credo in die Welt, und Lies entgegnet: "Wir sind dressierte Affen". Nein, nett sind sie nicht zueinander, und doch ist da ein Reiz, der in all den Jahren nicht verloren ging. Idealismus und Selbstüberschätzung treffen auf das Bedürfnis nach Geborgenheit. Was ist gespielt und was echt, wenn Schauspieler Schauspieler spielen? Und wo beginnt das, was die Akteure vereint und entzweit? Dem Zuschauer wird der Zugang nicht leicht gemacht. Doch wer bis zum Ende ausharrte - leider nicht alle im Publikum - der begriff den Reigen aus Zerfleischung und Annäherung, die Zweifel, ob die Entscheidungen, den anderen zu verlassen, richtig waren.
Unsympathisch sind die beiden Charaktere, gereift und von der Zeit zerschlissen, jedoch großartig verkörpert durch von Borsody und Warns. Für ihre Darstellung erhielt Suzanne von Borsody 2012 den "Goldenen Vorhang", den Publikumspreis des Berliner Theaterclubs.
"Wir lebten schnell und wild, bis alles vorüber war", so der passende Rückblick. "Sollen wir nicht aufhören, uns einander immer wieder anzutun", ein passendes Fazit. Ein menschliches Drama fand auf der Bühne statt, das schwer verdaubar blieb, auch nach dem letzten Vorhang. Dies nicht zuletzt durch die großartigen Leistungen der beiden Akteure an diesem Abend. 

Quelle: Echo