© Jürgen Theobald |
Witten. In
jeder Minute fesselnd: Die beeindruckende Inszenierung des Stückes "Der
letzte Vorhang" mit Suzanne von Borsody und Guntbert Warns.
Inhaltlich erscheint das Schauspiel der Autorin Maria Goos zunächst
überschaubar: Die Schauspieler Lies und Richard, einst gemeinsam
erfolgreich und durch eine kurze und heftige Liebschaft verbunden,
treffen nach vielen Jahren wieder aufeinander. Lies, die inzwischen ein
luxuriöses Leben mit ihrem Ehemann Wouter in Südfrankreich führt, kehrt
kurzfristig zurück, um als Partnerin für Richard einzuspringen. Denn
alle anderen verfügbaren Schauspielerinnen haben es nicht mit dem
schwierigen Mimen ausgehalten.
Spärliches Bühnenbild
Gemeinsam proben sie nun für das Stück, mit dem ihre gemeinsame
Karriere begann. Alte und neue Gefühle und Konflikte brechen auf,
Erinnerungen, Illusionen und vermeintlich neue Perspektiven.
All das spielt sich in einem äußerst spärlichen Bühnenbild ab: Nicht
mehr als ein Tisch mit alkoholischen Getränken und ein großes Lesesofa
braucht es, um die Zuschauer mitzunehmen in unterschiedliche Zeitebenen.
Oft nur durch einen kurzen Satz eingeleitet springt man zwischen
Gegenwart und näherer und fernerer Vergangenheit. Mühelos spielen
Suzanne von Borsody und Guntbert Warns nicht nur ihre eigenen Rollen in
allen Zeitebenen - sondern auch weitere Personen.
Guntbert Warns verkörpert den selbstverliebten und moralisierenden
Schauspieler Richard, der auch nach 20 Jahren noch über die Lande
tingelt, unmittelbar und unglaublich intensiv. Er verklärt seine
Alkoholsucht als Zugehörigkeit zur Spezies der "noctiflorae". Dennoch
scheint immer wieder seine eigene Verletzlichkeit und die Angst vor dem
Alleisein durch.
Bösartig brillant und gnadenlos parodiert er Lies‘ Ehemann Wouter,
mit dem Ziel, ihn ihr zu entfremden. Doch letzten Endes entlarvt er nur
sich selbst in seinem Bedürfnis, Lies zu kontrollieren: Als sie bereit
ist, bei ihm zu bleiben, lässt er sie erneut allein.
Lies hat es damals geschafft, sich vom destruktiven Einfluss des
Partners zu lösen. Sie sieht die Schauspielerei pragmatisch ("dressierte
Affen") und hat mit der Ehe mit Wouter das kleine, aber verlässliche
Glück gesucht. Suzanne von Borsody spielt die innere Zerrissenheit, das
Aufkeimen neuer Hoffnung und die letztendliche Kapitulation der Lies
sehr berührend.
Der vermeintliche Rubens, den Kunstsammler Wouter zu finden geglaubt
hat, bildet ein subtiles Leitmotiv: Was ist echt und was unecht? Und
wer und was entscheidet darüber? Und wenn am Ende des Stückes Wouter,
der bisher nur als hässliche Karikatur eine Rolle spielte, in seiner
Echtheit und aufrichtigen Zärtlichkeit auftritt, schließt sich der
Kreis.
Großartige Unterhaltung mit Tiefgang. Zu Recht gab es am Ende begeisterten Applaus und stehende Ovationen!
Cordula Rode
Quelle: WAZ